Seit nicht ganz sechs Jahren bin ich Mutter, am Muttertag vor sechs Jahren war ich noch schwanger. Alles war neu, alles war aufregend. Schön, ein bisschen beängstigend, emotional. Ich habe geplant, vorbereitet, immer mit einer Hand an diesem wunderbaren Babybauch.

Ich war glücklich in dieser Schwangerschaft und vor allem war ich eins: sicher. Ganz sicher und fest in meinen Vorstellungen und Ansichten. Was gut für’s Kind ist und was nicht. Was ich unter der Geburt möchte und was nicht. Was eine gute Mutter macht – und was nicht.

Stillen – ein Muss

Die Flasche geben weil du dir deine Brüste nicht versauen willst? – Du hast doch wohl den Schuss nicht gehört!

Du willst es schon erstmal probieren mit dem Stillen aber deine Mutter hatte auch schon nicht genug Milch? – Also, wer stillen möchte, der kann das auch, die Prozentzahl derjenigen Frauen, die aus medizinischen Gründen nicht stillen können, ist verschwindend gering.

Die Flasche, damit der Papa sich nachts auch mal kümmern kann? – Ja, das ist bestimmt sehr viel praktischer für alle, wenn immer erst einer aufstehen muss um die Flasche zu machen während das Baby brüllt.

Schlafen – auf jeden Fall im Beistellbett

Wie jetzt – eigenes Bett im eigenen Zimmer? – Du weißt schon, dass unter anderem die regelmäßigen Atemgeräusche der Eltern nachts regulierend auf die Atmung des Babys wirken und so unter anderem eine Präventionsmaßnahme gegen den plötzlichen Kindstot sein können?

Eigenes Bett im Elternschlafzimmer? – Und dann willst du jedes Mal zum Stillen aufstehen, das Baby rausheben, stillen und es wieder reinlegen? Naja…also MIR wär das ja zu anstrengend, aber wenn du meinst…

Das Baby schreien lassen

Wie, er hört auf zu brüllen wenn ihr erstmal um vier Ecken gefahren seid mit dem Kinderwagen? – Verdammte scheiße, nimm dein Baby auf den Arm und tröste es! Es will doch einfach nur dicht bei dir sein, ist das so schwer zu verstehen?

Hinlegen, gute Nacht sagen, rausgehen – und das Baby weinen lassen? – Äh – nein. Ein absolutes No-Go.

Muttertag - Für mehr Solidarität unter Müttern

Meine Ansichten – und was aus ihnen geworden ist

Wie gesagt – ich war ziemlich fest in meinen Meinungen und Ansichten, ich wusste, was geht und was nicht. Zum Glück war ich noch nie so, dass ich einer anderen Mutter meine Meinung einfach so vor den Latz geknallt hätte, wenn sie etwas anders gemacht hat, als ich es machen würde. Zumindest nicht bei solchen Entscheidungen wie stillen ja oder nein, wo schläft das Baby denn nun und der Wahl des Geburtsorts.

Ich habe solche Antworten, wie ihr sie oben lesen könnt, in 99,9% aller Fälle nur gedacht und innerlich den Kopf geschüttelt. Weil ich niemanden gerne absichtlich verletze und weiß, was für ein sensibles Thema Kinder haben und Mutter sein ist.

Was ich in den 6 Jahren als Mutter gelernt habe

In den fast sechs Jahren als Mutter, in denen ich wenig geschlafen habe, mir Sorgen um kranke Kinder gemacht habe, gleichzeitig schwanger war und gestillt habe, viel getragen, gelesen, erzählt und geredet habe. In denen mir auf dem Boden neben den spielenden Kindern liegend die Augen zugefallen sind, in denen ich getröstet, gekuschelt, gelacht, geliebt habe. In den sechs Jahren, in denen ich so stolz war und so verzweifelt, in denen ich manchmal einfach nur weg wollte und in anderen Momenten nichts so sehr vermisst habe wie meine Kinder. In denen ich gegen Wände geredet habe, gelehrt und gelernt habe. In denen ich beobachtet habe.

In diesen sechs Jahren ist folgendes passiert:

Ich bin nachsichtiger geworden. 

Nicht unbedingt mit mir, daran arbeite ich noch. Aber mit anderen Müttern. Ich bin so viel nachsichtiger mit anderen Müttern und ihren Entscheidungen. Weil ich mittlerweile weiß, dass es diesen Moment gibt, wenn du mehrere Nächte kaum geschlafen hast und das Kind brüllt und will auf den Arm – und du kannst einfach nicht. Du hast diese fünf Minuten, in denen du einfach nicht kannst. In denen du dich nicht überwinden kannst, wie in Trance bist und nicht die Kraft aufbringst, das brüllende Bündel liebevoll hochzunehmen und zu trösten.

Ich weiß oder hoffe zumindest, dass diese fünf Minuten reichen – und dann geht’s wieder. Aber wie anmaßend und verurteilend und verletzend wäre es, in solchen Momenten zu denken (oder gar zu sagen): “Jetzt nimm gefälligst mal dein Kind hoch und tröste es.”? Obwohl ich nur diese eine Momentaufnahme sehe, in denen dieser Mutter für ein paar Minuten die Kraft fehlt. Vielleicht, weil sie alleine ist und keine Hilfe hat. Vielleicht, weil das Baby sich die letzten drei Tage nicht hat ablegen lassen und sie sogar mit Baby duschen und auf der Toilette war.

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Es ist dein Weg – und der ist gut

Wir haben unsere Gründe und wenn mir mittlerweile eine andere Mutter erzählt, dass sie nicht stillen will oder kann, dann rede ich mit ihr darüber. Respektvoll und interessiert. Ich denke nicht mehr “Du hast doch den Schuss nicht gehört”, sondern “Es ist nicht mein Weg, aber es ist deiner. Du hast deine Gründe dafür und das ist okay. Du machst das schon”.

Ich glaube, es gibt kaum etwas im Leben, das so herausfordernd, so komplex ist, wie Mutter zu sein. Oder Familie, denn der Vater spielt hier natürlich auch eine Rolle. Aber heute am Muttertag geht es eben um die Mütter. Ich glaube, es gibt kaum eine Rolle, die schwieriger auszufüllen ist, als die einer Mutter. Weil es an niemanden sonst so viele unterschiedlichste Erwartungen gibt. Es gibt kaum eine Aufgabe, die so vielfältig und aufwändig ist, kaum eine Aufgabe, die weniger honoriert und geachtet wird. Kaum eine Situation, in der man sich gleichzeitig so vollkommen richtig und so fehl am Platz fühlen kann. So frei und gefangen, so glücklich und unglücklich. So gefordert, überfordert und unterfordert, so gelangweilt und so überflüssig. So sehr geliebt, selbst in den “Blöde Mama, blöde Mama, blöde Mama!”-Momenten.

Es erfordert so viel Kraft und Mut, herauszufinden, wie man ist als Mutter, wie man sein will. Was man seinen Kindern mitgeben möchte – und wie man es macht. Wie man sie stark macht, ohne dabei selbst auf der Strecke zu bleiben. Jede macht auf diesem Weg Fehler – und ich bin mir ganz sicher, dass jede Mama ihr Bestes gibt.

Solidarisch unter Müttern – und Frauen

Dieses “Learning” aus fast sechs Jahren als Mutter macht mich nicht besser als andere und berechtigt mich nicht dazu, Ratschläge zu erteilen. Aber die Erfahrung macht es mir möglich, zu sagen: unterstützt euch, statt euch zu bashen. Sprecht anderen Müttern nicht das Recht ab, eigene Entscheidungen zu treffen. Macht sie nicht nieder dafür. Es ist okay, wenn ihr anderer Meinung seid – aber man muss sich als Mutter nicht rechtfertigen, wenn die Kinder mal den ganzen Nachmittag fernsehen. Auch nicht, wenn draußen die Sonne scheint.

Man muss sich nicht rechtfertigen, wenn es mal morgens Kuchen, Mittags Pommes und Abends Pizza gibt.

Man muss sich nicht rechtfertigen, wenn man das Kind tragen möchte und auch nicht, wenn nicht.

Man muss sich nicht rechtfertigen, wenn man sich schon vom Moment, in dem man morgens die Augen aufklappt, nach dem Moment sehnt, wenn die Kinder abends wieder schlafen.

Man muss sich nicht rechtfertigen, wenn man sich Zeit für sich wünscht. Auch nicht, wenn das mal eine ganze Woche ist statt nur der “freien” Zeit zum Arbeiten.

Und, das ist auch ein Punkt, den ich äußerst wichtig finde – man muss sich nicht rechtfertigen, wenn man keine Mutter sein möchte.

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Mama = BFF?

Natürlich muss man nicht alle Frauen mögen, nur weil sie Mütter sind, das wäre ja Quatsch. Und auch nach wie vor gibt es Situationen und Verhaltensweisen von Müttern und Eltern, die ich nicht nachvollziehen kann. Aber insgesamt gibt es doch eine Sache, die uns verbindet, egal, ob wir tragen oder stillen oder arbeiten oder nicht:

Unsere Kinder.

Uns verbindet, dass wir alle das Beste wollen für sie, dass wir uns den Arsch aufreißen, um ein gutes Vorbild zu sein. Damit sie glücklich sind. Ein schönes Leben haben. Uns verbinden die ambivalentesten Gefühle, die schönsten und schrecklichsten Tage und Nächte. Uns verbindet mehr, als uns Entscheidungen, die wir vielleicht nicht nachvollziehen können, trennen.

Deswegen, lasst uns einfach ehrlich sein darüber, wie es so ist als Mutter. Ohne zu verschleiern, zu beschönigen oder zu dramatisieren. Damit jede Mama weiß: es ist okay, wenn ich heulend auf dem Badezimmerboden sitze. Es ist okay, wenn ich mich frage, warum um alles in der Welt ich ein Baby haben wollte. Es ist okay, wenn ich die ganze Zeit denke: meine Güte, wir haben doch das allerhübscheste und schlauste und tollste Kind überhaupt. Es ist okay, wenn ich nicht mehr kann und es ist okay, wenn ich mir Hilfe hole. Es ist okay, wenn ich all das mit links schaffe und einfach nur glücklich bin.

Du bist okay. Du bist eine gute Mutter.

 

Und wo bleibt der Spaß?

Eins hab ich übrigens noch gelernt in den Jahren als Mutter – ein bisschen Selbstironie und Lachen hat noch keinem geschadet. Aus den blödesten Situationen, Streits und Gebrüll kommt man manchmal nur raus, wenn man lacht. Und zwar so richtig laut. Und albern. Weil man plötzlich merkt, wie bescheuert das alles ist. Weil – eigentlich liebt man sich ja. Verdammt doll sogar.

Richtig schön mit einem Augenzwinkern und einfach ehrlich erinnern die tollen “Mal ehrlich. Milestone-Karten für Mütter Superheros” von Any Working Mom und Ma’LouLou daran. Ein richtig tolles Geschenk – zum Muttertag, zur Geburt oder auch einfach mal so. Wenn man merkt, dass die Mama-Freundin eine anstrengende Zeit hat (die Milestone-Karten waren ein Geschenk, das heißt, ich habe sie nicht bezahlt, aber es gab keine Absprachen/Verpflichtungen, dass ich sie zeigen muss).

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Ebenso die “I’m a mom. What’s your superpower?” Magneten (Titelbild) von littlehipstar (ebenfalls ein Geschenk zum Muttertag für mich, ohne Absprachen und Verpflichtungen). Am Kühlschrank, wenn die Kinder mal wieder nicht das essen wollen, was man gekocht hat. Im Bad, bei den täglichen Zahnputzkämpfen. Oder im Flur, neben der Garderobe “Neinichwillnichtschonwiederdenschneeanzuganziehen”. Ein Blick auf den kleinen Reminder, in Gedanken ins Supermom-Kostüm schlüpfen und durch da. Am besten mit einem Lächeln.

Einen wunderschönen Muttertag euch allen!

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13 Comments

  1. Oh, das hast du aber schön geschrieben! Dir auch noch einen schönen Muttertag!

  2. Und wieder trifft es dein Text auf den Punkt. Danke.
    Ich hoffe, du hattest heute einen tollen Tag.

  3. // Cathleen Reply

    So, hab’ die Tränen weggewischt (das Video macht einen fertig) und bin nun in der Lage, die Tastatur wieder zu erkennen.
    DANKE für Deinen ehrlichen und tollen Text.

    Einen schönen Abend wünsche ich Dir,

    Cathleen

  4. Hach, schniefschnüff, diese Werbevideos … kriegen mich immer wieder.
    Aber vor allem ein sehr schöner Text von Dir. Danke!
    Alles Gute noch für Deine Schwangerschaft!

  5. Liebe Johanna, natürlich freue ich ich SEHR, dass Dir unsere Milestone-Karten gefallen und Du sie hier zeigst – noch viel toller aber finde ich Deinen Text. Ich finde mich wieder, fast in jedem Wort – Solidarität, Sisterhood ist angesagt, unter uns Müttern, aber auch ganz generell unter Frauen. Wir müssen aufhören, uns gegenseitig unter Druck zu setzen, zu bewerten, den eigenen Wert und das eigene Können an anderen zu messen. We got this. Vielleicht nicht immer – der Badezimmerboden lässt grüssen – aber oft genug.

    Liebe Grüsse nach Hamburg! Andrea

  6. Liebe Johanna, vielen lieben Dank, du sprichst mir mit deinem Artikel aus der Seele.
    Ich bin Hebamme und habe in meiner Laufbahn schon über 300 Geburten begleitet.. und alle werdenden Mamas, die ihr erstes Kind erwarten, kommen immer mit dem gleichen Vorsatz: Die perfekte Mutter zu sein. Und dann bricht das Konstrukt ganz oft zusammen .. es funktioniert nicht mit der geplanten Spontangeburt .. es dauert länger, als gedacht .. sie wollten mehr Schmerzmittel, als am Anfang vorgenommen .. oder ganz oft: Es klappt nicht mit dem Stillen! Die Gedanken, die du oben sarkastisch äußerst, sind leider genau die Worte, die ganz oft an die jungen Mamas gerichtet werden und die zerstören ganz viel. Die Gesellschaft hat im Bereich Stillen einen so immensen Druck entwickelt, dass fast jede Frau, die noch nie ein Kind gestillt hat, automatisch das Gefühl bekommt, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Der Milcheinschuss dauert, es muss zugefüttert werde, das Kind nimmt nur langsam zu, die Brustwarze ist nicht optimal etc. Kurz gesagt: Frauen möchten die perfekten Mütter sein, aber das Perfekt der Gesellschaft ist nicht erreichbar. Es ist utopisch!
    Deswegen sage ich immer zu meinen Frauen: Versucht nicht perfekt zu sein, versucht glücklich sein! Und das ist auch mein Vorsatz für mein erstes Kind, welches in 4 Monaten auf die Welt kommt. Ich muss nicht perfekt sein, ich muss selber glücklich sein, denn dann geht es auch meinem Kind gut. Und dieses Glück gibt es manchmal nur dann, wenn man komplett abseits der Norm geht. Ich werde zum Beispiel die erste Hebamme werden, die von Anfang an nicht stillen will .. weil es nicht mein Weg ist. Und so individuell unsere Kinder sind, so individuell sind wir Frauen. Wir sollten lieber eine eigenen Definition von Perfektion entwickeln, abseits der Gesellschaft, denn dann orientieren wir uns endlich an dem, was wir zu leisten vermögen.

    • Johanna Reply

      Liebe Carolin,

      ganz ganz lieben Dank für deinen Kommentar. Ich kann mir so gut vorstellen, dass das stimmt, was du sagst – wir wollen alle perfekt sein. Die perfekte Mutter. Und dieser Druck, von dem du sprichst, den gibt es ja in allen Bereichen: im Bereich stillen, im Bereich schlafen, im Bereich Aussehen, schon während der Schwangerschaft und auch ganz wichtig, danach. Und eben auch schon die Geburt betreffend. Mutter zu sein und Kinder zu kriegen ist so ein hochkomplexes Thema, so ein empfindlicher, empfindsamer Bereich…

      Aber wie wunderbar, dass du deinen Frauen diesen Satz mit auf den Weg gibst. Glücklich zu sein ist so viel mehr wert als nach außen hin perfekt zu erscheinen. Die Herausforderung ist nur, herauszufinden, was es ist, das glücklich macht. Ist es, zu stillen, obwohl es schwierig ist und nicht von Anfang an gut klappt? Oder ist es, eben nicht zu stillen? Ich glaube, bei all den Meinungen und eben auch dem Druck, fällt es vielen unheimlich schwer, ihr Herz zu hören und herauszufiltern, was sie glücklich machen würde.

      Ich hoffe ja immer ein bisschen, dass das ein oder andere, was ich schreibe, vielleicht einer Mutter, die unsicher oder unglücklich ist, ein kleines bisschen auf ihren eigen Weg hilft, sie ein bisschen bestärkt und ermutigt.

      Dir wünsche ich auf jeden Fall alles alles Gute für die restlichen Monate, für die Geburt und auch für die Zeit danach. Ganz liebe Grüße, Johanna

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