Mehr Familienzeit, weniger Stress, weniger Arbeit und mehr Geld. So paradox es klingt, genau das haben wir uns von unserer neuen Arbeitssituation versprochen. André arbeitet seit einem Monat als Honorararzt (wie, warum, weshalb, das könnt ihr hier nachlesen). Ob sich unsere Vorstellungen und Wünsche erfüllt haben und einen kleinen Überblick, wie das mit der Arbeit als Honorararzt überhaupt funktioniert, gebe ich euch heute. Außerdem eine kleine Prämiere: die Situation aus Andrés Sicht.
Als Honorararzt arbeiten – wie funktioniert das überhaupt?
Wie es ist, als Honorararzt zu arbeiten und wie das überhaupt funktioniert kann man sich, bevor man es macht, erstmal schlecht vorstellen. Deswegen ein kleiner Einblick, wie man anfängt und was es zu beachten gibt:
- Anmeldung bei einer Zeitarbeitsfirma
- Qualifikationen angeben/mit beglaubigten Kopien belegen
- Nach erfolgter Anmeldung bekommt man unverbindliche Angebote, die man annehmen kann oder nicht
Klassische Honorararzttätigeiten gibt es heutzutage kaum noch. Die meisten Vertretungseinsätze werden über Zeitarbeitsfirmen vermittelt. Der Arzt ist bei dieser (oder mehreren) Zeitarbeitsfirma angestellt und wird an das entsprechende Krankenhaus “entliehen” (Arbeitnehmerüberlassung). Die Zeitarbeitsfirma führt alle Lohnnebenkosten und Sozialabgaben ab und zahlt das vereinbarte Gehalt.
Es gibt die Möglichkeit, deutschlandweit Dienste zu übernehmen oder sich auf bestimmte Regionen zu beschränken. Wichtig ist noch zu wissen, dass man sich bei der Ärztekammer, die für das Bundesland zuständig ist, in dem man den Einsatz hat, anmelden muss. Insgesamt ist es etwas mehr bürokratischer Aufwand, als wir dachten – er lässt sich aber gut bewältigen.
Monat 1 als Honorararzt “dank” Pendelei eher schlecht als recht
Im ersten Monat stand bei uns zunächst im Vordergrund, dass wir weiterhin unsere Fixkosten zahlen können mussten. Das war für André auch eine Voraussetzung für die Kündigung: so viele Dienste für den März sicher zu haben, dass das Gehalt insgesamt nicht geringer als das aus dem Krankenhaus wäre. Ein “Paket” aus Diensten, die diese Anforderung erfüllten, kam – damit war die Kündigung fix und André “Honorararzt”.
Diese Dienste waren leider nicht in Hamburg, auch nicht in der Nähe – sondern in einem 600 km entfernten Krankenhaus. Schon bei der Dienstplanung war also klar – im März heißt es nochmal Zähne zusammenbeißen. Denn 600 km kann man natürlich nicht vor einem Frühdienst, der um 7.30 Uhr beginnt, fahren. Das heißt, zu jedem Einsatz kam mindestens ein Pendel-Tag dazu.
In der Konsequenz hieß das also im März, dass ich von 31 Tagen 19 Tage mit den Kindern alleine war. Ich bin ganz ehrlich: das war echt mordsmäßig anstrengend und ziemlich beschissen. Meine Arbeit ist zum Großteil liegen geblieben, ich habe nur geschafft, was unbedingt sein musste. Und natürlich haben alle Kinder ihren Papa vermisst.
Der positive Aspekt
Trotzdem muss ich sagen, dass es zwar ein anstrengender Monat war – aber vom Gefühl her weniger schlimm als die Monate davor. Ich glaube, es lag an der Klarheit. Es war ganz klar, an welchen Tagen André nicht nach Hause kommen würde. Das bedeutete für mich eine viel bessere Planbarkeit, ich richtete meinen Tag von Anfang an darauf aus, dass ich alles alleine schaffen musste. Dadurch war ich viel weniger zornig, weniger wütend und weniger vorwurfsvoll.
Weil es eine ganz andere Voraussetzung ist, zu wissen, dass man alleine ist, statt Stunden auf seinen Partner zu warten ohne zu wissen, wann er nach Hause kommt.
Außerdem waren die Monate vorher ja nicht nur für mich anstrengend, für André mindestens genauso. Ich fand es wirklich schön und konnte es ihm aus vollem Herzen gönnen, dass er die Abende in seiner Unterkunft für sich hatte. Zum lesen, Filme schauen, schlafen, Bier trinken gehen.
Der erste Monat als Honorararzt – aus seiner Sicht
Ich dachte mir, dass dieses Thema so sehr auch André betrifft, dass es bestimmt spannend wäre, zu lesen, wie dieser erste Monat so für ihn war. Hier also seiner Sicht der Dinge:
“Vor einigen Tagen trafen wir zufällig auf dem Weg zur Kita einen ehemaligen Kollegen von mir, mit dem ich bis vor einem Monat zusammen in der Klinik gearbeitet habe. Als er fragte, wie es jetzt für mich läuft, wurde mir bewusst, wie wenig von dem, was mich vorher bei der Arbeit beschäftigt hat, noch relevant ist.
Weder die Gestaltung der Dienstpläne noch die Auswirkungen organisatorischer Entscheidungen auf die tägliche Arbeit spielen für mich eine Rolle. Ich muss nicht mehr abwägen, wie weit ich mich neben der Arbeit am Patientenbett für die Abteilung engagieren kann, ohne, dass meine Familie darunter leidet, und es gibt keinen Grund, mir den Kopf über meine Karrierechancen zu zerbrechen. Das Beste aber ist, dass ich nicht bei kurzfristigen Krankheitsausfällen einzuspringen brauche.
Ein Gefühl von Erleichterung
Wenn man längere Zeit im Gesundheitswesen arbeitet, beäugt man den Gesundheitszustand seiner Kolleginnen und Kollegen zunehmend argwöhnisch. Niesen, Husten oder eine rote Nase sind ernste Warnsignale dafür, dass jemand möglicherweise seine Dienste in den nächsten Tagen nicht machen können wird. Dann gehen die Anderen im Kopf schnell ihre Dienstpläne durch, und man sieht denen die Erleichterung an, die an den infrage kommenden Tagen sowieso arbeiten müssen. Für diejenigen, die frei haben, wird es allerdings ernst, wenn sich wirklich jemand krank meldet. Scheu beäugen sich erstmal alle gegenseitig und hoffen, dass irgendwer freiwillig in die Bresche springt. Allerdings gibt es durch die eigentlich immer zu dünne Personaldecke meistens nur eine oder zwei Personen in einer Abteilung, die überhaupt die Dienste übernehmen könnten, und für die heißt es dann: “Wenn von euch keiner den Dienst übernimmt, haben wir niemanden”!
Das Problem ist dann, dass bei meinen bisherigen Arbeitgebern eben nicht kurzfristig eine externe Aushilfskraft gebucht würde, die die Mitarbeiter entlastet, sondern im schlimmsten Fall niemand den Dienst macht und die Kollegen, die vor, nach oder während der nicht nachbesetzten Schicht eingeteilt sind, entweder viel länger oder für zwei arbeiten müssten. Das mutet man seinen Kolleginnen und Kollegen nur sehr ungern zu, und so fallen immer mal wieder für die Erholung dringend benötigte freie Tage und Nächte aus.
Honorärzte entlasten Bestandspersonal
Seit ich als Honorararzt arbeite erlebe ich allerdings, dass vor allem kommunale Krankenhäuser, die nicht dem absurden Gewinnanspruch der großen Klinikkonzerne unterliegen, ihr Personal durchaus bei Ausfällen durch externe Mitarbeiter zu entlasten versuchen. Und zwar seit diesem Monat auch durch mich!
Deswegen fühlt sich die Arbeit als Honorararzt gut an. Und was ich auf die Frage des ehemaligen Kollegen geantwortet habe?
“Gut! Die eigentliche Arbeit steht nicht mehr so im Mittelpunkt; jetzt ist es eher das Pendeln…”
Aber das kriegen wir im nächsten Monat in den Griff, wenn ich überwiegend Einsätze in der Nähe von Hamburg habe!”
Gute Aussichten im April
Das Gefühl, diese Erleichterung, die André empfindet, merke ich ihm deutlich an. Das freut mich für ihn und natürlich für uns alle. Weil der Druck, den er vorher bei der Arbeit im Krankenhaus gespürt hat, sich direkt auf uns ausgewirkt hat.
Die Pendelei war, wie gesagt, ziemlich anstrengend. Der April sieht aber viel viel besser aus, mit ein bisschen Zeitpuffer war die Planung leichter und fast alle Einsätze sind in der Nähe. Ich hoffe, dass wir es tatsächlich mal schaffen, ein paar echte freie Tage als Familie zu verbringen, Ausflüge zu machen und einfach gemeinsam Zeit zu verbringen.
Gleichberechtigte Arbeit?
Neben der Familienzeit ging es mir auch darum, dass ich mehr arbeiten kann. Seit Ende letzten Jahres arbeitet meine Schwester mit mir zusammen, das heißt, meine Fixkosten sind nochmal gestiegen und ich muss einfach Geld verdienen. Zusätzlich möchte ich auch einfach weiter über Dinge schreiben, die mich bewegen, die ich wichtig und schön finde. Der Blog und auch Instagram sollen nicht nur aus Werbeinhalten bestehen. Die brauche ich, keine Frage, anders könnte ich Bloggen in Vollzeit nicht finanzieren. Aber für diese anderen Themen brauche ich einfach Zeit.
Zeit, die ich hoffentlich im nächsten Monat dadurch bekommen werde, dass André weniger arbeitet. Aus dem Zähne zusammenbeißen im März wird im April also hoffentlich ein “in die Tasten hauen”. Ein zusätzlicher Schritt ist, dass ich direkt bei uns um die Ecke einen Arbeitsplatz gemietet habe. Ein Büro, in das ich mich einfach mal für eine oder zwei Stündchen zum Schreiben zurückziehen kann, ohne den Lärmpegel von drei Kindern.
Auf diese Ruhe zum Schreiben freue ich mich sehr und in ferner Zukunft, wenn Ella nicht mehr voll gestillt wird, sehe ich mich schon fünf oder sechs Stunden schreiben, Fotos bearbeiten und Ideen austüfteln.
Stay tuned!
5 Comments
Hihi, ich musste gerade innerlich lachen. Ich habe nur ein Kind, aber mein Mann ist diese Woche über das erste Mal komplett nicht da und arbeitet in einer anderen Stadt. Und bislang – auch wenn ich sicherlich in den nächsten Tagen noch mal einen kleinen Nervenzusammenbruch und Heulkrampf bekommen werde – ist “die ganze Woche weg” irgendwie entspannter, als “wann kommt er denn endlich nach Hause”.
Danke für Deine Erfahrungen und Deine Ehrlichkeit, sie geben mir immer wieder das Gefühl, dass ALLES normal ist. Egal wie mein, dein oder unser ALLES aussieht. Weiter so!
PrEEEmiere!
Ein sehr interessanter Artikel, vielen Dank für die Einblicke! Hört sich jetzt etwas hart und blöd an, aber der Text wäre etwas angenehmer zu lesen, wenn nicht so viele Wiederholungen in der Wortwahl auftauchen würden… Ein paar Beispiele: “Ich glaube, es lag an der KLARHEIT. Es war ganz KLAR, an welchen Tagen André nicht nach Hause kommen würde. (…) Weil es eine ganz andere Voraussetzung ist, ZU WISSEN, dass man alleine ist, statt Stunden auf seinen Partner zu warten ohne ZU WISSEN, wann er nach Hause kommt.
VG
Ja, das hört sich hart und blöd an. Und auch durchaus unverschämt und überflüssig klugscheißernd. Himmel!
André fährt für einen Dienst je einen Tag und zurück? Wird diese Zeit, die Reise und die Unterkunft vom Arbeitgeber bezahlt?