Ein Thema dominiert Deutschland, ein Thema dominiert die Welt: Corona. Im Januar zuerst noch weit weg in China, dann vereinzelt mal hier, mal da. Lange scheint die Lage von vielen gar nicht ernst genommen zu werden, es wird erstmal nur beobachtet. Und auf die Influenza verwiesen, bei der es schließlich jedes Jahr mehr Tote gäbe. Während unserer ersten Ferienwoche Anfang März, die wir auf Fehmarn verbringen, werden erste Corona-Infektionen in Hamburg gemeldet.
Plötzlich ist die Krise gar nicht mehr so weit weg. In Italien eskaliert die Situation. Mittlerweile gibt es mehr als 20.000 Infizierte (Quelle), vollkommen überlastetes Krankenhauspersonal und zu wenig Intensivplätze (Quelle). Damit es in anderen europäischen Ländern nicht so weit kommt, werden nach und nach Maßnahmen ergriffen.
Grenzen werden dicht gemacht, Schulen und Kitas fast flächendeckend geschlossen. Eltern stehen vor der Herausforderung, Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut zu kriegen. Selbstständige und auch viele andere bangen um ihre Existenz, wissen nicht, wie sie im nächsten Monat die Miete zahlen sollen, wenn ihre Einkünfte Wegbrechen.
Schlagworte wie “Panik”, “Hamsterkauf”, “Quarantäne” und der Hashtag #flattenthecurve machen die Runde in den Medien. Überall wird dazu aufgerufen, soziale Kontakte so weit wie möglich einzuschränken, bis hinein in die Familie. Und trotzdem – die Cafés sind voll bei dem frühlingshaften Wetter, Kinder und Eltern drängen sich auf übervollen Hamburger Spielplätzen. Geburtstagsfeiern finden wie geplant im großen Rahmen statt, Menschen verheimlichen, dass sie aus Risikogebieten aus dem Urlaub kommen, damit sie nicht in Quarantäne müssen.
Frühzeitige, freiwillige Einschränkung sozialer Kontakte
Wir hatten, seit wir von Fehmarn zurück sind, so gut wie keinen Kontakt zu anderen Menschen, waren nur zum Einkaufen draußen, im Park spazieren und haben vor der Tür alleine mit Straßenkreide gemalt. Obwohl der Plan eigentlich ein anderer war, haben wir Ella und Bo in dieser Woche nicht in die Kita gebracht – mein Gefühl hat mir am letzten Wochenende schon gesagt: lieber zuhause bleiben. Lieber keine Verabredungen. Und das schon, bevor hier in Hamburg klar war, dass Schulen und Kitas schließen. Bevor erst Veranstaltungen ab 1000 Menschen und jetzt, am Wochenende, sämtliche öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen, unabhängig von der Teilnehmerzahl, abgesagt wurden.
Ich bin tatsächlich ziemlich froh, dass ich in dieser Situation auf mein Bauchgefühl gehört und es durchgesetzt habe. Denn natürlich ist auch hier niemand begeistert davon, keine Freunde mehr zu treffen. Nicht schwimmen gehen zu können, wie wir es eigentlich geplant hatten. Und selbst Kita und Schule werden ein bisschen vermisst.
Aber es geht in diesem Fall – übrigens eine NOTsituation – nicht um unsere Privilegien und Bequemlichkeiten. Es geht darum, Risikogruppen zu schützen. Auch, wenn wir selbst nicht zu diesen Gruppen gehören, uns gesund und fit fühlen – genau diese Gruppe ist oft Überträger ohne Symptome. Es geht darum, die Ausbreitung des Coronavirus möglichst zu verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem die Chance hat, die Anzahl derjenigen, die intensivmedizinische Behandlung brauchen, adäquat behandeln und betreuen zu können. Schränken wir uns in unseren sozialen Kontakten nicht massiv ein, wird es zu einem explosionsartigen Anstieg von Erkrankten kommen. Und von diesen vielen, vielen Infizierten werden zu viele Menschen intensivmedizinische Hilfe brauchen. Zu viele für die vorhanden Intensivbetten, zu viele für Pflegekräfte und Ärzt*Innen. Am Ende stehen diese vor der Entscheidung:
Wen behandeln wir noch – und wen nicht?
Diese Erkenntnis ist so bitter wie wahr. Sie ist schmerzhaft, für diejenigen, die sie treffen müssen, für diejenigen, die sterben und für deren Angehörige.
Stay at home!
Damit es nicht so weit kommt, bitte seid vernünftig und verzichtet für ein paar wenige Wochen weitgehend auf das Leben, das ihr bisher kanntet. Auf die Freiheit, die ihr gewohnt seid. Nehmt euch zurück, denkt an die Allgemeinheit und rettet damit Leben. Denn wenn wir es durch die größtmögliche Vermeidung sozialer Kontakte schaffen, die Infektionsrate zu verlangsamen, dann kommt uns das im Zweifel allen zugute. Denn wer kann garantieren, dass du oder jemand, der dir nahe steht, in den nächsten Wochen – auch unabhängig von Corona – keine ärztliche, womöglich intensivmedizinische Betreuung benötigt? Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebs, schwere Unfälle, Knochenbrüche, lebensbedrohliche Komplikationen bei einer Geburt, all das kann uns auch in den nächsten Wochen treffen.
#flattenthecurve
Und ich wünsche mir, dass dann “genug” Kapazitäten vorhanden sind, um diesen Menschen helfen zu können. Neben denen, bei denen die Coronainfektion einen schweren Verlauf nimmt. Ich wünsche mir, dass unsere Intensivstationen nicht heillos überfüllt sind, weil wir es nicht geschafft haben, die Geschwindigkeit der Ausbreitung einzudämmen – nur weil ein paar Egoisten es nicht schaffen, sich für ein paar Wochen zusammenzureißen.
Weil manche nicht darauf verzichten können, den Frühling mit einem gezapften Hellen im Biergarten zu begrüßen. Oder im Café Mittag zu essen. Tanzen oder ins Kino zu gehen. Freunde zu treffen. Denn das kann auch schon in kleiner Runde ein Kontakt zu viel sein.
In diesem Sinne: Bitte bleibt einfach zuhause, wenn ihr könnt.
4 Comments
Bleibt doch bitte Zuhause! Genau mein Motto. Der Text ist sehr schön geschrieben und sagt alles, was auch in mir vorgeht. Es kann doch wirklich nicht so schwer sein. Manchmal hoffe ich, dass diese Aussage von offizieller Seite kommt. Ich hab die Hoffnung aufgegeben, dass alle oder zumindest ein Großteil der Mitmenschen so vernünftig ist. Wenn sich jeder auf die wesentlichen Gänge und Besorgungen reduziert, sollte es doch wohl zu schaffen sein… Leider ist manchen der wöchentliche Stammtisch wichtiger. Wie egoistisch. Ein Fazit hab ich schonmal gezogen. Ich werde meinen Freundeskreis nochmal überdenken… Danke für den tollen Text!!! Bleibt gesund!! Darf ich ein paar Passagen weiterleiten (z.B. über WhatsApp-Status) ??
Danke für deinen hellsichtigen und ehrlichen Kommentar. Mögen sich das viele zu Herzen nehmen. Ich werde jetzt endlich mal alle Bücher lesen, die auf meiner Warteliste stehen und vielleicht die Küche ausmisten. Ist doch auch was Gutes!
Im Moment geht es uns ja trotz der Einschränkungen ganz gut. Aber was, wenn das Ganze länger dauert, monatelang, vielleicht sogar über Jahre. Das wäre dann wirklich übel und ich weiß nicht, ob das hin haut. Andererseits arbeiten viele Labors in der ganzen Welt (außer im Land des Herrn T., der lieber bei uns ein Labor für seine Landsleute exklusiv hätte) an Heilmitteln und Impfungen. Drücken wir die Daumen! Grüßles Ursel
Vielen Dank, liebe Johanna, für deinen Einsatz! Ich hoffe inständig, dass deine Worte etwas bewegen. Es ist schmerzhaft mitzubekommen, wie viele Kindergeburtstage noch stattfinden und wie unvorsichtig sonst vernünftig erscheinende Erwachsene sind. #FlattenTheCurve.