Deutschland steht auf. Nicht nur in Hamburg bewegt sich etwas, wie bei der Demo gegen Rechts letzten Freitag unter dem Motto “Hamburg steht auf” zu sehen war. In ganz Deutschland werden Menschen aktiv und laut gegen Rechts. Mit so unfassbar vielen Menschen, dass mehrfach Demonstrationen abgebrochen werden mussten. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der investigativen Recherche von Correctiv war offenbar für viele Menschen der Tropfen, den es noch brauchte, um das Fass des Hinnehmens zum überlaufen zu bringen. Hinzunehmen, dass die AfD immer akzeptierter und für viele politisch Unzufriedene immer mehr zu einer Alternative wird, wo sie es bisher noch nicht war.

Wir waren die letzten beiden Freitage auch auf den Demos hier in Hamburg, beide Male mit unserer jüngsten Tochter. Erstmal aus dem ganz pragmatischen Grund, dass sie mit Fünf noch nicht allein zuhause bleiben kann, es uns aber beiden wichtig war, auf die Straße zu gehen. Für uns, um diesem Gefühl von Hilflosigkeit etwas entgegenzusetzen, für andere, um auch nach außen zu zeigen: Wir sind mehr.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir mit Kindern auf einer Demo waren. Bei den FFF Demonstrationen haben wir auch schon gemeinsam für eine bessere Zukunft demonstriert – und bis auf die irgendwann einsetzende Langeweile der Kinder nur gute Erfahrungen gemacht. Eine Demo gegen Rechts ist natürlich ein anderer Schnack, höchste Priorität bei der Frage, ob man mit Kind auf eine Demo gehen kann, sollte immer die Sicherheit und das Wohlbefinden des Kindes sein.

Demo mit Kind – wie war’s?

Bei der spontanen ersten Demo haben wir, als wir dort waren, die absichernde Polizei nach angemeldeten oder zu erwartenden Gegendemos gefragt. Hätten sie nicht klar sagen können, dass ihrem Kenntnisstand nach nichts in die Richtung zu erwarten sei, wären wir wohl wieder gegangen. Trotzdem muss natürlich klar sein: eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie.

Wir haben das Risiko bei beiden Veranstaltungen als vertretbar eingeschätzt – und so war es am Ende auch. Bei der “Hamburg steht auf” Demo gab es sogar einen extra Familienbereich. Tolle Sache, eigentlich. Denn die Beteiligung an dieser Demo war im Endeffekt so groß, dass es auch im Familienbereich so voll wurde, dass es für viele kleinere Kinder eigentlich nur auf den Schultern auszuhalten war. Es war bei uns jederzeit okay, wir fühlten uns nicht eingeengt oder unwohl, ich hatte das Gefühl, alle achten aufeinander. Ich weiß aber, dass es Familien, die weiter vorne dabei waren, anders ging und sie sich rausziehen mussten.

Das ist etwas, womit man immer rechnen muss – die Entscheidung für die Demo mit Kind zu evaluieren. Vor Ort zu schauen, wie reagiert mein Kind, wie gehts mir mit der Situation? Und dann, wenn nötig, doch vorzeitig zu gehen oder sich zumindest an den Rand zurückzuziehen. Dennoch ist es eine Überlegung wert, je nachdem, um was für eine Demo es sich handelt, zu überlegen, ob ihr mit Kind(ern) teilnehmen könnt. Für manche Eltern ist es die einzige Möglichkeit, teilzuhaben.

Tipps für Demonstrationen mit Kind(ern)

  • An erster Stelle: überlegt, ob euer Kind der Typ für eine solche Veranstaltung ist. Findet es Veranstaltungen und viele Menschen eher spannend? Reagiert es neugierig auf Polizei-Uniformen? Oder machen sie ihm Angst? Ist euer Kind schnell überreizt, ist eine Demo evtl. keine gute Idee. Vielleicht schaut ihr erstmal aus sicherer Entfernung zu und beobachtet die Reaktion.
  • Basics: genügend Snacks, Getränke, passende Kleidung.
  • Informiert euch im Vorfeld oder vor Ort, ob Gegendemonstrationen angemeldet sind oder von der absichernden Polizei erwartet werden.
  • Wenn möglich: eine Sitzgelegenheit. Buggy oder Lastend (das wurde in Hamburg sehr eng, ging aber auch) oder Schultern. Man muss damit rechnen, dass kleine Kinder nicht mehrere Stunden stehen oder laufen in dieser Situation.
  • Verabredet euch mit FreundInnen (der Kinder) und trefft euch vorher! Wir wollten uns an einem bestimmten Ort treffen, kamen aber viel zu spät, weil die Bahnen so voll waren, dass wir in die erste nicht reingekommen sind. Am Demonstrationsort angekommen hatten unsere Freunde den Treffpunkt verlassen und wir hatten die ganze Zeit über keinen Handyempfang, konnten uns also nicht erreichen.
  • Denkt an Gehörschutz für die Kinder, es kann zu laut werden, selbst wenn ihr nicht direkt vor der Bühne (bei Kundgebungen) steht.
  • Malt bunte Schilder mit den Kindern, das steigert die Vorfreude und ihr könnt im Zuge dessen ins Gespräch kommen, worum es auf der Demo geht. Das sollten die Kinder, sobald sie es irgendwie greifen können, schon wissen.
  • Denkt an Ablenkung/Beschäftigung: Seifenblasen, Straßenkreide, evtl. Tablet und Kopfhörer.
  • Ihr findet auf Instagram unter diesem Post noch ganz viele Tipps und Erfahrungen von anderen Eltern zum Thema Demo mit Kind. Und es gelten natürlich allgemeingültig Verhaltensregeln – evtl. Telefonnummer auf den Arm schreiben, thematisieren, wen das Kind ansprechen könnte, falls ihr euch verliert, bei größeren Kindern einen Treffpunkt ausmachen. Vielleicht helfen meine 10 Tipps für Festivals mit Kind euch auch noch weiter.

Mit diesen Vorbereitungen und Vorsichtsmaßnahmen sind wir gut zurecht gekommen, aber ich muss natürlich sagen, dass alle Demos, auf denen wir bisher waren, sehr “mainstreamig” und groß waren. Auf Demos mit schwarzem Block oder zu erwartender Krawalle würde ich die Kinder selbstverständlich niemals mitnehmen.

Und: wenn ihr euch dagegen entscheidet, habt kein schlechtes Gewissen. Vielleicht geht ein Elternteil allein (falls es zwei gibt) oder ihr demonstriert von zuhause aus. Malt trotzdem ein Schild und klebt es ans Fenster. Oder lauft eine Runde mit dem Schild um den Block oder durchs Dorf. Vor allem: demonstriert im Alltag gegen Hass, Hetze und Rassismus, indem ihr darüber redet.

Free Download Demo-Schilder gegen Rassismus und die AfD

Es ploppen auf Instagram immer mehr tolle Free Downloads für Demo-Schilder auf, ich sammle mal die schönsten Printables für euch, falls ihr keine Zeit habt, eigene Schilder zu gestalten:

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